Andere verstehen es ja doch nicht … Und?

Während ich hier auf dem Blog „nur“ einmal die Woche einen Beitrag verfasse, so poste ich auf meiner Facebookseite jeden Tag etwas – eine Aussage oder einen anderen Beitrag. In den Kommentaren wird häufig mitgeteilt, wie es in ihrem Umfeld ausschaut – wie wenig sie verstanden werden … und zugleich der starke Wunsch, dass andere etwas verstehen, was mit ihnen ist … wie es ihnen geht …

„Das verstehen Nichtbetroffene ja doch nicht.“

Stimmt. Ich selbst bin davon überzeugt, dass jemand, der eine Depression oder Panikattacke nie erlebt hat, es wirklich nicht verstehen kann. Ist „einfach“ so.

Und? Was heißt das? Was ist die Intention der o. g. Aussage?

Ich kann nur mutmaßen – und ich höre ziemlich viel Verzweiflung daraus. Denn es ist mehr als mühsam, sich mit einer schweren Erkrankung rumzuschlagen und sich dann auch noch zurechtfertigen und sich gegen blöde Sprüche zu wehren. Ich weiß und kenne das.☹️

Auch kann ich es nachvollziehen, wenn man dicht macht und seinem Umfeld das wahre Sein verschweigt. Das kann ich verstehen, denn ich habe es viele Jahre auch so gemacht, auch wenn noch andere Gründe dabei eine Rolle spielten.

Auch wenn es eine Zeit lang die richtige Entscheidung für mich war und mir beim überleben half, so habe ich inzwischen die Schnauze voll von diesem Versteckspiel. Deswegen schreibe ich u.a. hier auf meinem Blog und bin offline in diversen Aufklärungs-Projekten engagiert. Das ist MEIN Weg.

Denn nur weil mich „gesunde“ Menschen in meinem Gefühl nicht verstehen KÖNNEN, werde ich nicht weiter über solche durchaus schwierigen Themen schweigen. Dies kann keine Lösung sein. Vor allem möchte ich dies nicht als Lösung sehen. Dies wäre ja auch eine ziemlich unlogische Lösung, oder?.

Ich erwarte nicht, dass mich jemand versteht – akzeptieren und respektieren reicht mir schon!

Nie habe ich von jemandem erwartet, dass er mich versteht. Oft habe ich es mir sicherlich gewünscht, doch es ist eine Illusion, eine Erkrankung zu verstehen, die man selber nicht erlebt hat.

Es gibt auch andere Menschen. Menschen, welche mir zuhören und welche mir ihr Vertrauen schenken. Obwohl wir beide in dem Moment wissen, dass wir einander nicht verstehen können.

Doch man kann auch Verständnis und Empathie für einen anderen Menschen aufbringen, wenn man ihn nicht zu 100% versteht. Man kann zuhören, schweigen und den anderen – sofern er es mag – in den Arm nehmen.

Wir spüren das bei unseren Tieren – auch wenn sie uns nicht verstehen können, so tun sie uns gut, in dem sie einfach da sind.

Mein Partner kann meine Depressionen und Angstzustände auch nicht verstehen und ist dennoch für mich unterstützend und liebevoll da.

Im Gegenzug verstehe ich überhaupt nicht, wie man es toll findet, 22 Männern und einem Ball über ne Stunde lang zuzuschauen. Dennoch kann ich es respektieren, dass er schlecht drauf ist, wenn seine Mannschaft verloren hat.

Ja, man kann mitfühlend sein, ohne das man die Gefühle des anderen zwangsweise verstehen muss!

Es dauert einiges an Zeit, ehe sich sichtbar etwas in unserer Gesellschaft ändert. Das ist wohl auch leider „einfach“ so.

Doch ich möchte daran glauben!

Daran glauben, dass wir einmal über Depressionen & Co so reden können, wie über eine Grippe. Ich möchte glauben, dass wir Betroffenen grundsätzlich einmal ernster genommen werden. Ich möchte daran glauben, dass die Zahl der Suizide rapide sinkt.

Manche halten mich für naiv, andere für eine hoffnungslose Träumerin, wiederum andere für keine Ahnung was … doch … inzwischen ist es mir relativ egal, was andere über mich denken.

Wie sagt ein Zitat:

Wenn einer sagt, dass etwas nicht geht, dann denke daran, es sind seine Grenzen und nicht Deine. (unbekannt)

Ich möchte nicht einfach annehmen und glauben, dass etwas nicht geht oder das etwas keinen Sinn macht – in manchen Dingen glaube ich es erst, wenn ich es gesehen bzw. selbst ausprobiert habe.

Ja, manchmal kann ich auch ziemlich trotzig und stur sein …

Denn, ich möchte das einfach nicht so hinnehmen, wie es derzeit für viele Erkrankte läuft. Ich möchte, dass viele andere Betroffene auch so tolle Menschen wie ich kennen lernen, bei denen sie so sein dürfen wie sie sind.

Ich möchte das „einfach“.

Punkt.

Verstehen können Nichtbetroffene eine psychische Erkrankung dennoch nicht, da brauchen wir uns nichts vormachen. Doch es geht auch nicht ums Verstehen, sondern um AKZEPTANZ, RESPEKT und WERTSCHÄTZUNG.

Und wenn das einmal mehr erreicht ist, dann kommen wir dem Wollen vom Anfang etwas näher:

Das wir einmal offener über psychische Erkrankungen reden können, dass wir ganz normal behandelt werden, wir keine Ausgrenzung und Stigmatisierung erleben und dass es einmal weniger Suizide gibt.

Ich wünsche Euch viele liebevolle und verständnisvolle Begegnungen mit solchen Menschen.

Vor allem wünsche ich Euch jedoch die Hoffnung und den Glauben daran, dass ihr solchen Menschen in Eurem Leben begegnen werdet, auch wenn es bis jetzt nicht so aussah.

Wie siehst Du das – muss man unbedingt etwas verstehen, ehe man für eine Situation Verständnis aufbringen kann? Ich bin gespannt auf Deinen Kommentar!

Bildquelle: pixabay

Und nun?

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Mitgliedschaften & Kooperationen

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention ist seit 1972 die übergreifende Fachgesellschaft für Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention befassen.

Die Deutsche Depressionsliga ist eine bundesweit aktive Patient:innen-vertretung. Sie ist eine reine Betroffenenorganisation, deren Mitglieder entweder selbst erkrankt sind oder aber sie sind Angehörige von Betroffenen.

Die Gründer:innen von Freunde fürs Leben sowie viele der (ehrenamtlich) Beteiligten haben selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren. Ich selbst kenne Suizidgedanken von mir früher als auch Menschen, die dadurch verstorben sind.

Die Seminare von Seelische Erste Hilfe Leisten befähigen Menschen dazu, selbstbewusster, informierter und empathischer mit seelisch belasteten Personen umzugehen. Unser Ziel ist, dass analog zu körperlichen Erste-Hilfe-Kursen auch seelische Erste-Hilfe-Kurse fester Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung sind.

Gemeinsam gegen Depression ist eine Aufklärungskampagne von Janssen. Unterstützer:innen der Initiative und die Teilnehmenden des Aufrufs „Zeig Gesicht“ berichten über ihre ganz persönlichen Geschichten und teilen ihre Erfahrungen mit Depressionen.

Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung sind für Betroffene und Angehörige allgegenwärtig. Mutmachleute bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft, denn psychisch kranke Menschen haben keine Lobby! Wir geben ihnen eine Stimme, damit sie heraustreten können aus ihrem Schattendasein.

Erfahrungen & Bewertungen zu Nora Fieling

6 Kommentare zu „Andere verstehen es ja doch nicht … Und?“

  1. In meiner Familie will sich auch keiner damit auseinander setzen . Ich bin in deren Augen bockig oder will Aufmerksamkeit . Ich habe für mich entschieden das ich offen darüber spreche das ich oft traurig und Lebensmüden bin . Von vielen bekommt man nur verständnislose Blicke oder desinteressiert ein Kopfnicken. Wenn ich es in meiner Familie anspreche gibt es keine Reaktion so nach dem Motto blos nicht damit beschäftigen . Jetzt habe ich einen tollen Lebensgefährten da kann ich sein wie mir grade ist ohne dafür verurteilt zu werden . Auch mein Sohn und mein Hund geben mir jeden Tag die Kraft weiter zu machen

    1. Liebe Rike,

      vielen Dank für Deine offenen Worte.

      Es ist traurig zu lesen, wie Deine Familie mit Dir umgeht – umso schöner, dass Du Halt in Deinem Mann, Deinem Sohn und Deinem Hund finden kannst.

      Ich wünsche Dir alles Gute und ganz viel Kraft für Deinen weiteren Weg!

      Liebe Grüße aus Berlin,
      Nora

  2. Liebe Nora,
    ich habe zu dem Thema auch mal einen Beitrag geschrieben: http://www.konfliktgewinn.de/2016/03/11/beduerfnisse-und-gefuehle-anderer-verstehen-fuer-einen-kompromiss/

    Ich denke, dass das Verstehen im Sinne von Nachfühlen nie funktioniert und auch nicht wichtig ist. Eher sollte es darum gehen zu schauen, was man Gutes von sich an denjenigen, der in einer schwierigen Lage ist, geben kann, damit es demjenigen besser geht.

    Des Weiteren kann man sehr viel auch von Depressiven lernen. Aus meiner Sicht die Strukturen bei jedem gleich. Bei einem doller und hinderlich beim anderen nicht so doll.

    Lieber Gruß
    Claudia

    1. Vielen Dank für Deinen Kommentar, liebe Claudia.

      Der von Dir angegebene Link funktioniert leider nicht!?

      Und ja – ich sehe es ja auch so, dass Verstehen im Sinne von Nachfühlen nicht funktionieren kann.

  3. Liebe Nora,
    ich kann durchaus Verständnis für andere aufbringen, selbst wenn ich noch nicht den gleichen Weg gegangen bin. In meiner Arbeit ist das sogar eine gute Fähigkeit, gleichzeitig muss ich gut für mich sorgen – Stichwort: Abgrenzung. Manche Menschen möchten sich glaube ich mit solch schwierigen Themen wie Depression oder Suizid nicht auseinandersetzen, weil sie Angst davor haben. Daraus resultiert dann häufig eine gewisse Abwehr, die evtl. als Unverständnis interpretiert wird?! Sie wollen quasi nicht verstehen, wie es sich wirklich anfühlt?! Somit setzen sie sich nicht mit der ganzen Thematik auseinander und können/wollen kein Mitgefühl zeigen. Meine Interpretation 😉
    Annie

    1. Vielen Dank für Deine Gedanken dazu, Annie.

      Ich sehe das auch so wie Du, dass ich für manche Dinge/Situationen Verständnis aufbringen kann, auch wenn ich deren Erfahrung nicht machen musste. Wäre ja schlimm, wenn wir erst empathisch und liebevoll zu jemandem sein können, wenn wir dessen Erfahrung gemacht haben. Und selbst dann können wir ja noch nicht mal genau seine Empfindungen nachfühlen …

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