Am Anfang war die Störung …
Als mir bei meinem letzten Tagesklinik-Aufenthalt (Anfang 2015) eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde, wusste ich nicht so recht, was ich damit anfangen sollte. Klar, ich habe so meine diversen Ängste und ja, manche Sachen, die mir Angst machen, vermeide ich. Aber gleich eine Persönlichkeitsstörung daraus zu machen, war irgendwie ein ganz schön großer Brocken vor meinen Füßen. Es war zu meiner rezidivierenden Depression, generalisierten Angststörung und Borderline Persönlichkeitsstörung also eine zweite Persönlichkeitsstörung hinzu gekommen – na herzlich willkommen.
Zu Hause fing ich erstmal an, über diese Störung zu googeln und fand auch ein paar Seiten. Das Problem war nur, auf denen stand überall das gleiche. Die Symptome einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung zu erfahren, war zwar für mich im ersten Moment etwas hilfreich, aber nicht wirklich weiterführend. Ich wollte wissen, wie das konkret im Leben eines Betroffenen aussah – wie gestalten sie ihr Leben, welche Auswirkung hat die Krankheit auf ihren Alltag und auf ihre Beziehungen, was denken und fühlen sie?
Aus solchen Informationen hätte ich gerne Parallelen zu mir gezogen, um vielleicht mich etwas besser zu verstehen als auch aus den Erfahrungen anderer zu profitieren. Aber diese besagte Seite mit den mir erhofften Informationen fand ich nicht. In diversen Foren und Facebook-Gruppen, in denen es allgemein um psychische Krankheiten geht, habe ich ein paar wenige Erfahrungsberichte lesen dürfen. Aber so ganz das wahre war oder ist das auch nicht.
Ich schreibe das, was ich selber gerne gelesen hätte
Und deshalb schreibe ich hier jetzt selbst, von mir und meinen Empfindungen, Gedanken, Erfahrungen, Beziehungshürden und Alltäglichkeiten – alles in Zusammenhang mit Depression, Angst und Persönlichkeitsstörung. Ich schreibe, über meine Gedanken und Gefühle, was Therapieeinheiten wie z. B. Selbstfürsorge, Ergo- und Kunsttherapie bewirken können und wie eine berufliche Reha-Maßnahme für psychisch erkrankte Menschen aussieht.
Und abgesehen davon, dass mich das Schreiben entlastet, ist vielleicht irgendwer da draußen in der fernen weiten Welt, der mal in einer ähnlichen Lage ist, wie ich es war oder irgendwie auch noch bin, und dem es dann ein bisschen hilft, von einem anderen über Depressionen, Ängsten und Persönlichkeitsstörungen zu lesen.
Du als Leser erhältst somit Einblicke in meine depressive, ängstliche Welt in der auch Freude, Träume und Hoffnung leben!
Edit 16.03.2016: Die Diagnose ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung wurde zwischenzeitlich revidiert. Ich habe also „nur“ eine generalisierte Angststörung … reicht ja auch! Und irgendwann wird auch diese nur Geschichte sein!
Beeindruckend diese Offenheit. Genau das brauchen wir in dieser
Gesellschaft.
Liebe Nora,
ich finde das unsere Gesellschaft viel zu häufig so tut, als wenn sie überhaupt keine Probleme in ihrem Umgang mit Gefühlen hat und das sensible, offene Menschen – was sich in der Tatsache des vorkommens des „selbstverletzenden Verhalten, – sprich gespiegelt: selbst verletzt wordenen Verhaltens- bei Kindern und Jugendlichen wiederspiegelt. Kinder und Jugendliche sind viel abhängiger vom Wohlwollen ihrer Umgebung als sogenannte Erwachsene, werden sie unterdrückt in ihrem selbstausdruck, muss das zwangsläufig bei harmoniebewussten, offenen Menschen zu Verinnerlichung und Stauung führen, da die natürliche direkte Rückmeldung, die diese Menschen noch als Zugang haben ja übergangen wurde. So sehe ich in Selbstverletzung einen Ausdruck des eigenen inneren Seelenzustandes. Gestört wurden diese „Betroffenen“ durch die Dissonanzen ihrer Umwelt in ihrem inneren Gleichgewicht; Ob die Betroffenen selbst gestört sind, wage ich allerdings offen in Frage zu halten. Zudem gibt es hochsensible Menschen, – wobei ich auch hier glaube, das wir alle letztendlich hochsensibel von Natur aus geschaffen worden, lediglich unterschiedlich geprägt worden sind – … generelle Antworten oder gar Diagnosen in Form von sogenannten eindeutigen ärztlichen Gutachten halte ich für den Versuch unserer Gesellschaft ihre eigenen Ängste zu verdrängen indem sie Menschen mit anderem Selbstausdruck als den gesellschaftlich anerkannten in Schemata klassifiziert, um die unerwünschte Störung die von diesem „Betroffenen“ ausgeht sich selbst vom Leibe weiter halten zu können und ihr widernatürliches System des 8-Stunden Minimum Arbeitstages – (Frage hierzu: welches Tier bitte arbeitet 8 Stunden, ohne nicht währenddessen Müßiggang zu betreiben, Pause zu machen, seine Umgebung in sich aufzunehmen, die Örtlichkeit zu wechseln, und und und? Und wieso wird dann den menschlichen Wesen ein solches Verhalten als Grundbedingung zum Lebenserhalt mittels Arbeit als natürlich vorenthalten beziehungsweise paradoxerweise aufgezwungen???) – zur Selbstrechtfertigung ihrer emotionalen Defizite und emotionalen Unfähigkeit gegenüber ihrer individuellen Resonanz im Leben aufrecht erhalten zu können…
Das unwohlsein das ärzliche Diagnosen, vor allem wenn sie den „untersuchten Menschen“ als gestört erkannt zu haben meinen, häufig mit sich bringen, ist für mich ernst zu nehmen: Da wir als Menschen zu individuell sind um uns jemals in irgendeiner Diagnose vollständig wieder spiegeln zu können… wir sind nun mal fühlende Wesen und verändern uns ständig emotional, physisch und mental; Wieso soll das bedeuten das wir „gestört“ sein müssen, nur weil wir genau diesen permanenten Fluss des Lebens in uns, mit uns und durch uns hindurch von unserer Gesellschaft wiedergespeigelt brauchen?
In diesem Sinne wünsche ich Dir frohen Lebensmut und -freude an Deinem so sein wie Du bist.
Mit herzlichem Gruß,
Susanne
Super geschrieben liebe Susanne😌
Echt krass und berührend geschrieben. Das nimmt mich mit, vielen Dank dafür…
Hallo Nora…. Ich habe gerade versucht, meiner Freundin den Sinn der Tagklinik zu erklären…. Ich konnte es nicht (obwohl ich aufgrund rezudivierender Depressionen sehr viel Erfahrung mit Psychokliniken habe…)
Dann bin ich auf Deinen Block gestoßen, und du hast den Sinn der einzelnen Therapien so toll zusammengefasst… Ja, ich kann jetzt selbst den Sinn einiger Therapien verstehen… Danke Dir dafür… LG Sabine
Hallo liebe Nora,
wow, ich bin beeindruckt von deinen Worten und deiner Offenheit und finde es unglaublich stark, dass du deine Erfahrungen und Gedanken so offen und ehrlich teilst.
Ich spüre den Willen, den du hast, zu leben! 🙂
Die Diagnosen der Ärzte sind auch nur Diagnosen von Menschen, die etwas studiert haben. Das ist zumindest meine Erfahrung. Einige Dinge sind bei den Menschen mit den gleichen Diagnosen ähnlich, andere nicht.
Für mich musste ich lernen, dass auch die Anderen nicht in mir stecken. Dass keiner da draußen meinen Weg gegangen ist und dass ich von daher die Expertin für mich selbst bin.
Viele Gedankenwirrwarre sind nur da, um etwas, was dahinter liegt zu verberegen und zu schützen!
Ich wünsche dir auf deinem Weg weiterhin alles Gute, viel Kraft und Mut!
Alles Liebe, Nadin
Auch ich danke Dir, Nora, für deinen Mut und für deine Offenheit.
Selbst betroffen – wie sich rausstellt seit der Kindheit – von Depression (mittlerweile auch rezidivierend diagnostiziert) bin ich für Menschen extrem dankbar, die wissen wie es sich anfühlt. Denen muss ich nix erklären. Die verstehen das einfach so. Und nerven nicht mit „lustigen“ Vorschlägen wie „Denk doch an Hundebabys!“
Da auch für mich das Schreiben täglich Brot und elementar zum Sortieren meines Hirnes und meiner wirren Gefühle (wenn sie denn da sind) ist, bekomme ich durch Blogs wie deinen auch Mut, diesen Weg intensiver zu betreiben und mich damit rauszutrauen.
Liebe Grüße
Cooker Elb
(ein Künstlername, weil meine Noch-Frau und vor allem meine Kinder in der Schule und im Ort seltsame Blicke und blöde Reaktionen ernteten als ich auszog und mich auf Facebook mit meinem richtigen Namen anmeldete. Ich bitte um Verständnis!)
Schön das es Dich gibt! Ich bewundere deinen Mut.
Oh, vielen Dank! Ich wünsche Dir für Deine Bereiche ganz viel Mut und Kraft!
Alles Liebe,
Nora
Lieber Rico,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Dir alles Gute und viel Kraft,
Nora
Tolle Texte: ehrlich, emotional und zum Nachdenken.
Wir brauchen mehr solcher Menschen. Sei stolz auf dich.
Ich weiß nicht ob das hier hin gehört, aber ich kann das Buch „Ich habe dich- bitte verlass mich nicht“ empfehlen.
Vielen Dank für Deine lieben Worte und auch vielen Dank für den Buchtipp 😉
Liebe Nora,
großartig, dass du allen Betroffenen eine so wunderbare Möglichkeit anbietest und sie teilhaben lässt, an deinem Prozess. Und ist es nicht ein Riesenschritt, als „ängstlich-vermeidende Persönlichkeit“ so vielen Menschen deine tiefsten Seelenschichten zu zeigen?
Ich finde das sehr mutig und offensiv!
Und ich freue mich, dass du einen Weg gefunden hast, deine Persönlichkeit weiter zu entwickeln und auch andere Facetten von dir zu zeigen, denn du bist nicht nur deine Diagnose 🙂
Herzliche Grüße Monika
Liebe Monika,
vielen Dank! Und ja … anzunehmen, dass ich ein oder mehrere Diagnosen habe, jedoch keine Diagnose bin, dafür umso viel mehr noch anderes bin, ist nicht das leichteste. Aber ich bin dran 😉
Die Diagnose „ängstlich-vermeidende PS“ ist auch gar nicht mehr relevant, dass sollte ich mal durchstreichen … da hatte sich meine Therapeutin etwas vertan. Was aber okay ist, es hatte keine dramatischen Auswirkungen und zeigt nur, dass auch sie Fehler machen.
Liebe Grüße,
Nora
Es sehr gut dass du diesen Blog geschrieben hast. Besonders im Text Gefühlsverstopfung finde ich mich wieder. Er beschreibt diesen Zustand sehr gut. DANKe
Hallo Heike – ich danke Dir für Deinen Kommentar 😉
Ich hoffe, dass Du für Dich im Bereich der Gefühlsverstopfung bald ein gut verträgliches Abführmittel findest – alles Gute!