11 Dinge, die Du über Depressionen wissen sollst

Ich habe es nun frisch erlebt, dass eine Freundschaft zerbrach, dadurch dass ich offen erzählte, dass ich u. a. an Depressionen erkrankt bin. Leider ist dies so nicht zum ersten Mal passiert. Ich möchte, dass Nicht-Betroffene folgende Dinge über Depressionen wissen, damit die Krankheit alleine kein Grund mehr für Beziehungsabbrüche sind:

1. Depressionen sind keine Wahl

Ich habe es mir nicht ausgesucht, unter Depressionen zu leiden. Es ist eine Krankheit, die irgendwann mal in meinem Leben entstanden ist. Es ist eine Krankheit, für die ich nichts kann. Es ist eine anerkannte Krankheit, so wie Grippe, Krebs oder Diabetes – auch diese haben sich die Betroffenen nicht „einfach so“ ausgesucht.

2. Depressionen sind eine „echte“ Krankheit

Depressionen haben viele Auslöser, häufig liegen psycho-soziale Gründe in der Biografie vor. Zudem ist mittlerweile anhand von Forschungen erwiesen, dass bei Depressiven eine Stoffwechselstörung im Gehirn besteht. Wir haben u. a. einen Mangel an Serotonin und Noradrenalin, welche einen Informationsaustausch zwischen den Gehirnzellen ermöglichen. Aufgrund dessen Defizit, haben wir mit unseren depressiven Symptomen wie z. B. Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Hoffnungslosigkeit zu kämpfen – all das hat nichts mit Charakterschwäche zu tun sondern mit einer komplexen medizinischen Störung. Darüber hinaus sind Depressionen eine lebensgefährliche Krankheit, durch welche im Jahr 2013 über 10.000 Menschen gestorben sind.

3. Medikamente nehme ich nicht aus Spaß

Es sind für mich keine Glücklich-Macher, die ich nach Lust und Laune nehme. Ich hatte mich lange gegen sie gewährt, da ich es alleine schaffen wollte. Doch meine Gehirnstoffwechselstörung konnte ich nicht mit einem guten Willen ausbalancieren. Natürlich hatten sie auch Nebenwirkungen (wie z. B. Gewichtszunahme), doch vor allem halfen sie mir, meinen Alltag zu bewältigen und mich für die Therapie zu rüsten. Ohne die Medikamente wäre ich nicht in der Lage gewesen, zu schlafen, aufzustehen oder meine Ärztin aufzusuchen. Depressionen drücken Dich wie Steine nieder – die Tabletten gaben mir Kraft. Das ich heute keine Antidepressiva mehr nehmen muss, heißt nicht, dass ich geheilt bin. Es kann jederzeit wieder so ein starkes Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn geben, dass ich darauf zurück greifen muss – es ist keine Frage des Wollens.

4. Depressionen sind nicht nur eine Phase

Ich habe nicht „mal“ einen schlechten Tag oder bin „mal“ mies gelaunt. Eine Depression ist keine Phase von Tagen. Es ist ein Zustand, der Wochen, Monate wenn nicht sogar Jahre anhält. Und selbst wenn ich dann mal einen Tag habe, wo ich unter Leute gehen, reden oder sogar lachen kann, heißt das nicht, dass die depressive Episode vorbei ist. Es bestehen grundlegende Symptome, wie z. B. mangelndes Selbstwertgefühl, Grübeleien oder Schlafstörungen, die nicht „einfach so“ auf einmal weg sind.

5. Meine Depression ist keine Person

Bitte hör auf zu fragen, wie es meiner Depression geht. Die Depression ist meine Krankheit, doch sie definiert mich nicht. Ich habe in mir noch so vieles anderes. Vor allem an guten Tagen. Ich würde mich freuen, wenn Du mich fragst, wie es mir geht – was ich derzeit so mache, für was ich mich derzeit interessiere. Nicht immer habe ich darauf eine Antwort, aber manchmal halt doch. Vor allem dann, wenn ich versuche, das Leben wieder für mich zu entdecken. Denn ich kämpfe und gebe mein Bestes, bitte vergiss das nicht.

6. Ich tue mir nicht selbst leid

Du fragst mich, wie es mir geht und ich antworte Dir ehrlich, dass es derzeit nicht so einfach für mich ist. Damit bemitleide ich mich nicht selbst, sondern antworte Dir ehrlich. Stemple es nicht als negatives rumjammern ab. Das Jammern ist wichtig, vor allem in der Depression. Wenn ich Dir sage, was mich stört, dann ist das ein gutes Zeichen. Das mich etwas stört zeigt, dass ich etwas fühle. Und das ich etwas fühle, ist ein kleiner Schritt raus aus der Depression. In der Depression selbst fühle ich so oft nichts außer einer immensen Leere, insofern ist es für mich ein Fortschritt, wenn ich etwas in mir spüre, auch wenn es ein eher negativ-behaftetes Gefühl wie Trauer oder Wut ist.

7. Ich möchte mich wegen meiner Depressionen nicht schämen

Warum ist es Dir peinlich, wenn andere Freunde von Dir erfahren, dass Du eine Freundin hast die depressiv ist. Warum darf die Verwandtschaft nicht erfahren, dass Deine Tochter unter Depressionen leidet. Ich bin aufgrund meiner Depressionen weder irre noch für andere gefährlich. Ich weiß, es gab in jüngster Vergangenheit Attentate und Gewaltverbrechen, bei denen der Täter u. a. unter Depressionen litt. Die Betonung liegt auf „unter anderem“! Es gibt durchaus psychiatrische Erkrankungen, die für andere gefährlich werden können – doch Depressionen gehören nicht dazu. Depressionen sind alleine für mich gefährlich – denn sie können mich in den Suizid treiben! Dass ich mich wegen meiner Depressionen verstecken und schämen muss, kann mit ein Grund dafür sein.

8. Gefühllos zu wirken bedeutet nicht, gefühllos zu sein

Manchmal sitze ich da wie ein toter, kalter Stein – manchmal fühle ich mich auch so. Doch nur weil ich so wirke oder mich gerade so fühle, heißt das nicht, dass ich grundsätzlich so bin. In mir sind alle Gefühle vertreten, so wie bei Dir auch. Nur in einer depressiven Phase spüre ich sie nicht. Man kann sich das vorstellen, wie ein Herz, welches in Eis eingefroren ist. Es kommt kein Gefühl rein, es kommt keines aus meinem Herzen heraus. Doch bin ich deswegen nicht gefühllos. In solchen Momenten brauche ich Wärme, Liebe, Akzeptanz, Respekt, Verständnis und vor allem Zeit – denn es wird die Zeit kommen, wo das Eis schmilzt und ich wieder Gefühle spüre als auch rauslassen kann. Wenn Du mir zeigst, dass Du trotz dessen für mich da bist und mich trotz dessen liebst, kann es meiner Eiszeit entgegenwirken.

9. Eine Psychotherapie ist kein Wettrennen

Du fragst so oft, wie lange ich noch zum Therapeuten gehe, was ich für Fortschritte mache, was meine Therapeutin so sagt und wann ich denn endlich fertig damit sei. Damit fühle ich mich schon wieder unter Druck gesetzt. Therapie ist kein Kaffee-Kränzchen, was ich aus Spaß mache. Ich stelle da mich und mein Handeln unter fachlicher Anleitung in Frage. Ich reflektiere mich und mein Handeln. Ich spreche Konflikte an, die ich mit anderen oder mit mir habe und versuche, neue Lösungswege zu finden. Selbst wenn ich eine Lösung gefunden habe, heißt das noch nicht, dass ich sie auf einmal total gut anwenden kann. Meine Konfliktfähigkeit zu trainieren oder auch mein Selbstwertgefühl aufzubauen, dauert lange und funktioniert nicht alleine dadurch, dass ich es „wirklich“ will. Wie bereits erwähnt, funktionieren manche Gehirnstoffwechsel nicht so wie bei Gesunden. Sie müssen bei mir neu aufgebaut und trainiert werden – und das braucht seine Zeit. Wenn ich Dir von Inhalten meiner Therapiesitzung erzähle, ist dies ein großer Vertrauensbeweis an Dich. Es würde mich ermutigen weiter an mir zu arbeiten, wenn Du mich unterstützt oder Mut machst, in dem Du es schätzt, dass ich mich mir selbst in Therapiesitzungen stelle. Es zeigt vor allem, dass ich an mir arbeite – und ja, manchmal wünsche ich mir dafür auch ein anerkennendes Zeichen von Dir. Das gibt mir Kraft.

10. Biete mir Hilfe an, doch setz mich bitte nicht unter Druck

Du fragst, wie du mir helfen kannst und ich weiß keine Antwort. Ich weiß, dass das schwierig für Dich ist und Du Dich hilflos fühlst. Ich verstehe das, weil ich mich selbst oft frage, was ich denn tun und machen kann, damit es vorbei ist – und so oft habe ich selbst keine Antwort darauf. Doch dafür bin ich in Therapie und nehme vielleicht auch Medikamente. Bitte komm dann nicht immer mit Ratschlägen á la ich soll mehr an die frische Luft gehen oder mehr Sport machen. Nicht für jeden ist dies hilfreich, denn für mich ist frische Luft oft schlecht. Ich muss und werde selber (mit Hilfe meiner Therapeutin) herausfinden, was mir gut tut und was mir hilft. Nur braucht das halt seine Zeit und dafür wünsche ich mir von Dir (und auch von mir) Geduld.

11. Gib mich nicht auf

Wenn Du mich 10 mal nach einem Treffen gefragt hast und ich Dir 10 mal abgesagt habe, gib mich bitte nicht auf. Frage mich ein 11., 12. oder 100. mal nach einem Treffen. Ich weiß, dass auch das schwer für Dich ist und an Deiner Geduld mit mir nagt. Glaube mir, ich kämpfe für mich und all das nagt selbst an meiner Geduld. Doch wenn Dir was an mir liegt, bitte unterstütze mich und gib mir die Zeit, die ich für mich brauche. Ich habe die Hoffnung, dass wir uns mal wieder treffen und fände es sehr unterstützend, wenn auch Du die Hoffnung behältst.

Bildquelle: pixabay.com

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Die Deutsche Depressionsliga ist eine bundesweit aktive Patient:innen-vertretung. Sie ist eine reine Betroffenenorganisation, deren Mitglieder entweder selbst erkrankt sind oder aber sie sind Angehörige von Betroffenen.

Die Gründer:innen von Freunde fürs Leben sowie viele der (ehrenamtlich) Beteiligten haben selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren. Ich selbst kenne Suizidgedanken von mir früher als auch Menschen, die dadurch verstorben sind.

Die Seminare von Seelische Erste Hilfe Leisten befähigen Menschen dazu, selbstbewusster, informierter und empathischer mit seelisch belasteten Personen umzugehen. Unser Ziel ist, dass analog zu körperlichen Erste-Hilfe-Kursen auch seelische Erste-Hilfe-Kurse fester Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung sind.

Gemeinsam gegen Depression ist eine Aufklärungskampagne von Janssen. Unterstützer:innen der Initiative und die Teilnehmenden des Aufrufs „Zeig Gesicht“ berichten über ihre ganz persönlichen Geschichten und teilen ihre Erfahrungen mit Depressionen.

Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung sind für Betroffene und Angehörige allgegenwärtig. Mutmachleute bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft, denn psychisch kranke Menschen haben keine Lobby! Wir geben ihnen eine Stimme, damit sie heraustreten können aus ihrem Schattendasein.

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