Seit etwa einem guten Jahr schreibe ich regelmäßig einen Beitrag für das Print-Magazin Miles! – Das Magazin für seelische Gesundheit. Heute schreibe ich nicht für, sondern über die Miles. Genauer gesagt habe ich den Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift, den Autor, Mediator und Coach Marcus Jäck auf meinem Blog für ein Interview zu Gast. Geduldig und offen beantwortete er mir meine Fragen rund um das Magazin, Suizidprävention, persönliche Krisen und Ziele.
Ich hab da mal ne Frage … an Marcus Jäck
von Miles! – Das Magazin für seelische Gesundheit
Hey Marcus, wann und wie kamst Du auf die Idee, eine Zeitschrift zu gründen und warum?
Gegründet habe ich Miles! bereits im Herbst 2014, die erste Ausgabe ist dann Anfang Januar 2015 erschienen. Meine Idee war es nicht, ich habe diese Idee gemeinsam mit einigen wirklich tollen Menschen umgesetzt. Ich war in den Jahren 2013 und 2014 viel in Deutschland unterwegs, da ich über 300 mal aus meinem Buch „Burnout & Begegnungen“ lesen durfte.
Nach einer dieser Lesungen, die ein guter Freund von mir in Bad Soden-Salmünster organisiert hatte, stand eine Dame auf und fragte, warum es eigentlich noch kein Printmagazin zu „unseren“ Themen gibt. Ich nahm diese Idee gerne auf und sagte direkt, dass ich das gerne umsetzen möchte. Es hat sich gut und richtig angefühlt.
Bereits einige Tage später saßen mein Kumpel und ich zusammen und haben mit der Planung begonnen. Übrigens wissen wir bis heute nicht, wer diese Dame ist, wir haben sie seitdem leider nie wiedergesehen. Da ich vor sehr vielen Betroffenen gelesen und anschließend mit ihnen diskutiert habe, konnte ich meine Erfahrungen in dieses Projekt mit einbringen.
Ich habe ein Gefühl dafür entwickelt, was die Menschen, die sich für unsere Themen interessieren, hören und lesen möchten. Außerdem wurde es Zeit, nein, es war ein guter Zeitpunkt, dieses Magazin für Menschen mit seelischen Erkrankungen und deren Angehörigen ins Leben zu rufen, ihnen eine Stimme zu geben und über Menschen zu berichten. Es ist wichtig zu zeigen, dass wir nicht alleine sind.
Und es ist wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten und Wege aufzuzeigen, die funktionieren könnten. Denn was nicht funktioniert, das wissen die meisten Betroffenen bereits sehr gut.
Wie kamt ihr auf den Namen „Miles“ und was bedeutet dieser?
Das ist eine fast lustige Geschichte. Wenige Tage vor unserem ersten Redaktionstreffen saß ich in meinem Büro, wir suchten damals alle zusammen einen passenden Namen, jedoch fühlte sich kein Vorschlag stimmig an. An diesem Abend schrieb ich an einem Flipchart viele Begriffe quer durcheinander, die mit unseren Themen zu tun haben.
Meine Hoffnung war, eventuell aus ein paar Anfangsbuchstaben einen passenden Namen zu gestalten.
Als ich ein paar Schritte zurückging, standen die Miles-Buchstaben auf einmal da, verpackt in den Anfangsbuchstaben von Menschen, Ideen, Leben und Liebe, Emotionen und Sehnsucht … so wurde der Name geboren, die Buchstaben kann jeder selbst interpretieren.
Der Name war sofort stimmig, denn die Rubriken konnten z.B. Lesemeile und Fitnessmeile heißen. Und Meilen sind Wege, die wir alle zusammen gehen können.
Du hast selbst eine schwierige Krise hinter Dir – magst Du darüber erzählen? Wie hast Du zurück ins Leben gefunden?
Ja, aber nicht nur eine. Nach der ersten schwierigen Phase 2011, als ich zum ersten Mal mit Depressionen in Berührung gekommen bin, bin ich völlig naiv und auch sehr überfordert an viele Dinge herangegangen.
Ich habe viel gelernt über mich, meine Erkrankung und über Menschen. Ich habe, wenn ich das so sagen darf, die klassischen Formen der psychotherapeutischen Möglichkeiten kennen gelernt, d.h. Klinikaufenthalt, ambulante Therapie, Medikamente, Umstellung der Ernährung, viel Bewegung usw.! Aber eben alles im Rahmen der Schulmedizin, was für mich sehr gut war.
Ich war mir damals sicher, dass mir so ein Absturz nie wieder passiert.
Naja, das klappte nicht, so bin ich Mitte des Jahres 2016 wieder erkrankt, was mir zu jeder Zeit bewusst war. Und trotzdem habe ich es ignoriert, konnte und wollte es nicht akzeptieren, dass ich wieder Hilfe brauche, was sehr dumm war. Ich wollte funktionieren, sehr sogar.
Es kamen dann noch ein paar berufliche und private Rückschläge dazu, die ich dann nicht mehr einfach so wegstecken konnte und die mein Fass dann haben überlaufen lassen. So bin ich in eine völlige Überforderung geraten, konnte nicht mehr rational denken und viele klassische Symptome einer Depression waren mehr als da.
Ich habe keine Lebensfreude mehr gespürt, keine Perspektiven mehr gesehen und was ganz schlimm ist: Ich habe keine Liebe und Zuneigung mehr angenommen von Menschen, die gesehen haben, was mit mir los ist. Ich habe alle Menschen emotional weggestoßen und nicht mehr gesehen, wer es gut mit mir meint, mir helfen und an meiner Seite bleiben wollte.
2016 habe ich dann natürlich wieder therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, ich habe mich viel bewegt, d.h. ich bin gelaufen und gelaufen und gelaufen und habe so den Kopf frei bekommen.
Unzählige Stunden habe ich, meistens mit meinem Hund, der mein bester Therapeut ist, in der Natur verbracht, mir Zeit für mich genommen, reflektiert und mich von guten Freunden, die ich wieder an mich heran gelassen habe, reflektieren lassen, was nicht immer liebevoll war. Aber es war heilsam und wichtig.
Für mich ist Bewegung wichtig, überlebenswichtig sogar. Körperliche und emotionale Bewegung ist meine Medizin. Und Menschen. Menschen sind wichtig. Miteinander sprechen, lachen, wieder lachen lernen. Zeit ist wichtig, Zeit alleine und Zeit mit Menschen. Bewusste Zeit!
Warum setzt Du Dich heute gerade für die Suizidprävention ein? Was ist Deine Motivation? Was ist Dein Motor?
Ich habe ja nun selbst Erfahrung damit gemacht, nicht mehr leben und mein Leben beenden zu wollen. Heute kann ich mir dafür selbst eine scheuern.
Es geht natürlich zuerst einmal darum, Leben zu retten. Und ich sehe heute, was ich meinem Umfeld nur mit dem Versuch, mein Leben beenden zu wollen, angetan habe. Suizid ist keine Lösung, niemals, dass weiß ich jetzt!
Ich habe mir viele Gedanken gemacht, warum ich es so weit habe kommen lassen. Eine Therapeutin hat mir erklärt, dass Menschen in diesen Situationen häufig nicht mehr rational denken können. In dieser Erklärung habe ich mich total wiedergefunden, ich fühle, dass es mir damals genau so ging.
Heute glaube ich jedoch, dass man einen Automatismus schaffen kann, ähnlich wie wenn man einen Unfall hat und dann im völligen Schockzustand die 110 wählt. Dieser Automatismus funktioniert, wir bekommen doch alle schon von klein auf gesagt, dass wir den Notruf wählen müssen, wenn wir in einer Notsituation sind.
Ich denke, dass wir diesen Automatismus auch sehr gut in der Suizidprävention einsetzen können: Dir geht es schlecht? Du willst nicht mehr leben? Dann wähle den Notruf und nimm Hilfe in Anspruch!
Ich bin fest überzeugt, dass viele Suizide verhindert werden können, wenn wir genügend Möglichkeiten der Hilfe aufzeigen und dann der Automatismus greift! Dafür müssen wir aber immer wieder darüber sprechen, schreiben, bloggen usw.!
Jedem Menschen muss klar werden: Auch wenn ich nicht rational denken kann, der Notruf geht immer!
Ich habe jedoch noch eine andere Motivation: Wir haben in Deutschland jeden einzelnen Tag ca. 30 Suizide, was für eine beschissene Zahl. Viele sprechen immer über die Opferzahl, doch was ist mit den Angehörigen? Wer kümmert sich um sie?
Nochmal: Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was ich meinem Umfeld angetan und wie traurig ich diese Menschen gemacht habe. Sie alle haben sich schuldig gefühlt, obwohl sie keine Schuld getroffen hat.
Wenn wir Suizide verhindern können, dann verhindern wir auch das Leid der Angehörigen. Über diese Menschen mache ich wahnsinnig viele Gedanken.
Und ich mache mir Gedanken über die vielen Einsatzkräfte der Feuerwehr, der Polizei und der Rettungsdienste. Weißt Du, ich bin nach meinem Suizidversuch von Polizisten gefunden und von einem Notarzt im Krankenwagen versorgt worden. Alle haben mit mir gesprochen und mir gesagt, dass ich diesen Blödsinn doch besser bleiben lassen soll, denn schließlich ziehe ich sie dann auch mit rein. Sie müssen nach mir schauen und mit diesen Erfahrungen dann auch erstmal klar kommen.
Mir hat diese Ansprache sehr geholfen, sie hat mich aber nachdenklich gemacht. Und ich kann heute nachvollziehen, dass diese Menschen es einfach nicht verdient haben, sich auf diese Erlebnisse einlassen zu müssen.
Auch deshalb müssen wir mehr Leben retten und Menschen Möglichkeiten der Hilfe aufzeigen, die sie viel früher in Anspruch nehmen müssen, damit den Menschen, die in diesen tollen Berufen der Rettung arbeiten, das Leben etwas leichter gemacht wird.
Wir müssen daher nicht nur mehr Leben retten, sondern auch die Lebensqualität dieser Menschen verbessern.
Mir sind in diesem Zusammenhang auch wieder die vielen Gespräche eingefallen, die ich mit Lokomotivführern hatte. Ich war durch meine Lesungen häufig in einer Klinik zu Besuch, in der ein spezielles Therapieprogramm für Lokführer angeboten wird. Wir sind oft nach meinen Lesungen noch zusammen gesessen und haben gesprochen.
Ich habe selten in meinem Leben in so traurige Augen geschaut. Diese Menschen fühlen sich oft missbraucht, weil sie ungewollt als Waffe eingesetzt worden sind, völlig schutzlos und hilflos. Ein Zug bremst nun mal nicht nach 50 Metern.
Diesen Menschen müssen wir mehr Lebensqualität geben bzw. diese viel besser erhalten, das ist ein weiteres wichtiges Anliegen von mir, einfach diesen Scheiss-Teufelskreis durchbrechen.
Was ist Dein Ziel? Was möchtest Du gerne in Deinem Leben erreichen? Mit Miles! und für Dich privat?
Ohje, meine Ziele. So viele habe ich gar nicht. Es wäre schön, wenn Miles! noch ein bisschen wächst, in 10 Jahren noch lebt und mehr Menschen erreicht, denn es ist ein gutes und sehr wertvolles Format, dass vielen Menschen schöne Moment schenkt und viel vermittelt, sowohl Wissen und Erfahrungen, aber auch Emotionen.
Miles! verbindet Menschen miteinander, so soll es bleiben.
Ich selbst möchte stabil, gesund und in Bewegung bleiben und dabei weiterhin Momente der Ruhe haben. Ja, das lässt sich gut kombinieren.
Und ich möchte Zeit mit Menschen verbringen und diese genießen können. Mit Menschen, denen ich gut tue und umgekehrt. Ich mag Menschen und habe große Lust, Leben zu teilen.
Vielen Dank, Marcus, für Deine Zeit und offenen Antworten 😉
Mehr über die Miles! – Das Magazin erfährst Du auf der Miles-Homepage und auf der Miles-Facebookseite.
3 Kommentare zu „Ich hab da mal ne Frage … an Marcus Jäck von Miles! – Das Magazin für seelische Gesundheit“
Ich würde gerne wissen, ob es das Magazin noch gibt
Vielen Dank für dieses Interview! Ich habe dazu ebenfalls einen Artikel geschrieben: http://www.konfliktgewinn.de/2018/02/23/denke-rational/, um noch ein paar Menschen damit zu erreichen.
Vielen Dank für den Link 😉