Depression, Ergotherapie & Selbstakzeptanz

Ergotherapie

Ergotherapie – was hast Du da als erste Assoziation in Deinem Kopf? Als ich das erste Mal in einer psychiatrischen Tagesklinik wegen der Depression und Panikattacken war, war ich von der Ergotherapie ja nicht sonderlich begeistert. Ich dachte da an Beschäftigungstherapie und Körbe flechten … hatte ich offen gesagt ja Null Bock drauf. Und auch wenn es die Möglichkeit gab, sich mit dem Flechten von Körben zu beschäftigen, war es keine Beschäftigungstherapie. Sondern so viel mehr.

Depression, Ergotherapie & Selbstakzeptanz

2014 war ich das das zweite Mal in einer psychiatrischen Tagesklinik. Depression und Panikattacken waren der Grund, weshalb ich nochmal intensivere Unterstützung als eine ambulante Psychotherapie brauchte. Auf unserem „Stundenplan“ stand drei mal die Woche Ergotherapie. Hierbei gab es die Auswahl zu stricken oder mit Ton und Speckstein zu arbeiten. Vor mir ein Stück Speckstein liegend, war ich total unmotiviert, blickte alle paar Minuten auf die Uhr und fieberte dem Ende der Stunde entgegen.

Ich wusste überhaupt nicht, was ich hier machen wollte, hatte keine Idee, keinen Plan, kein Ziel. Ich fühlte mich nur unter Druck gesetzt, weil ich ja irgendwas machen musste. Meine Begeisterung für diese Therapie-Einheit hielt sich somit arg in Grenzen.

Planlos folgte ich irgendwelchen inneren Impulsen. Ich feilte, sägte und bohrte wahllos Löcher in den Stein und dachte permanent „Schön ist irgendwie anders!“ Und zack, brach mir eine Ecke ab.

Na toll. Ich war innerlich so aufgebracht und wütend, am liebsten hätte ich den Stein gegen die Wand geschmissen, damit er richtig zerschmettert und kaputt geht. Aber nein, so impulsiv bin ich dann doch wieder nicht. Lieber schlucke ich meine Wut und Tränen herunter.

Verstohlen schweifte mein Blick auf die Werke meiner Mitpatient:innen. Alle hatten ein Ziel vor Augen, was aus ihrem Stein oder Ton einmal werden sollte – eine Skulptur, ein Amulett, ein Aschenbecher … Mir selbst gefiel nicht unbedingt deren Plan, doch ich war beeindruckt davon, dass sie überhaupt einen hatten.

Ja, offen gesagt, ich war neidisch auf die anderen mit ihrem Ziel vor Augen. Ich wollte auch einen Sinn in meiner Arbeit am Speckstein sehen, eine Bedeutung sollte dieser haben. Wie gerne hätte auch ich mich auf die Ergo-Stunde gefreut, motiviert an meinem Projekt gearbeitet, um am Ende mit meinem Werk zufrieden sein zu können.

Aber nein … da ist nichts … ich konnte von meinem durchlöcherten Stein nur Parallelen zu meinem Leben ziehen, in welchem ich planlos umher irre, ohne ein Ziel zu verfolgen. Mein Leben, das ich leben muss, welches mir so oft bedeutungslos erscheint und was ich in mancher dunklen Stunde gerne kaputt gemacht hätte.

Von mir selbst genervt, werkelte ich die nächsten Stunden weiter an meinem Stein herum. Doch irgendwann musste ich ein Ende finden – wenn ich noch weiter Löcher gebohrt und an den Ecken gefeilt hätte, wäre bald nichts mehr von ihm da gewesen. Also fing ich an, die Oberfläche des Steins glatt zu feilen. Und was für eine Überraschung, der Stein sah total langweilig aus.

Er war einfach nur komisch grün, hässlich, unpraktisch … nichts besonderes – wie ich!

Zwei Tage später erklärte ich den Stein für fertig, es gab an ihm einfach nichts mehr zu tun. Und während er so vor mir lag und ich ihn missmutig und abwertend ansah, zeigte er mir seine kleinen, nahezu unscheinbaren Seiten.

Er war nicht einfach nur komisch grün und fad. Er wies eine kleine leichte Maserung auf, die ich nie beachtet hatte. Und er fühlte sich wunderbar schmeichelnd glatt und weich an.  Und mit dem braunen Band, was den Stein und seine Löcher zusammenhielt, sah er doch eigentlich ganz nett aus … – nun ziehe noch einmal Parallelen zu Deinem Leben, Nora!

Einzigartigkeit liegt im Detail

Mein Stein ist wie ich! Er ist nicht Teil eines großen monumentalen Bauwerks und doch ist er auf seine Weise schön, einzigartig und für jemanden wichtig – für mich.

Mittlerweile mag ich meinen von Abnutzungserscheinungen gezeichneten, durchlöcherten, kantigen Speckstein sogar. Er hat mir gezeigt, wie oberflächlich ich mir gegenüber doch bin und er erinnert mich daran, dass Einzigartigkeit oftmals im Detail liegt.

Ihn so zu akzeptieren wie er ist, war für mich der erste Schritt in die Richtung, mich selbst anzunehmen und wertzuschätzen.  Neben all den vielen großen Dingen, die ich weder bin noch kann, gibt es auch in mir kleine, wertvolle Schätze! Daran versuche ich zu glauben!

Ich sehe sie nicht auf den ersten Blick, ähnlich wie die Maserung meines Steins! Doch sie sind da – ähnlich wie die Maserung meines Steins!

In dieser Weise hilft mir mein Speckstein, mich in Selbstakzeptanz und Selbstwertschätzung zu üben. Solange, bis ich mich selbst achte, meine Maserungen erkenne und zu mir stehe, so wie ich bin – mit meinen Fehlern, Ecken und Kanten – aber auch mit den weichen, schmeichelnden Seiten und der zarten Maserung.

2024 – und nu? Selbstakzeptanz & Selbstliebe?


Na, kennste auch die vielen Tipps, wie Du Dich im Nu selbst (wieder) liebst? Puh, mir gehen die ja durchaus gelinde gesagt auf die Nerven. Es klingt so leicht und flockig, als ob es das einfachste der Welt ist und damit natürlich alle Probleme des eigenen Lebens gelöst sind. „Selbstliebe“ finde ich persönlich ein viel zu großes Wort – Selbstakzeptanz jedoch eine sehr wichtige Basis. Auch auf dem Genesungsweg.

Akzeptanz bedeutet nicht, dass ich mich oder die Situation (was auch immer es gerade zu akzeptieren gilt) toll finde. Fast im Gegenteil – es ist ein bewertungsfreies Annehmen. Ohne dieses eben doof oder toll zu finden. Es ist erstmal da.

Wenn die Depression also gerade aktiv ist, ist es hilfreich den Zustand zu akzeptieren – ihm einen Raum geben, die Depression und die damit verbundenen Umstände annehmen. Ohne das toll zu finden und vor allem, ohne die ganze Zeit uns, Gott und die Welt zu beschimpfen, wie bescheuert doch so eine Erkrankung ist. Es ist nun mal so, wie es ist. Im zweiten Schritt können wir in eine lösungsorientierende Haltung gehen, im Sinne von Therapie und ähnlichem.

Der Umgang mit uns selbst, unser Selbstwert und unsere Selbstakzeptanz haben viel damit zu tun, wie wir Krisen überstehen. Vielleicht sogar auch etwas abschwächen oder vermeiden können.

Wie gehst Du denn mit Dir selbst um, wenn es Dir schlecht geht? Redest Du Dir gut zu oder beschimpfst Du Dich? (Psst: Ich machte eher letzteres und putzte mich so oft runter, obwohl ich emotional schon am Boden lag.). Aber ich bin ja nun mal so, wie ich bin – und manchmal eben krank. Und nochmal: Das bedeutet nicht zu resignieren oder das ganze toll finden zu müssen. Selbstakzeptanz bedeutet eher, sich wie ein:e Freund:in zu behandeln – mitfühlend und dennoch hier und da auch mal streng-motivierend. Denn alles liegen zu lassen tut uns oftmals auch nicht gut.

Hierbei ist jetzt auf jeden Fall zu beachten, dass ich das hier allgemein schreibe oder an Szenen von mir selbst denke – pauschalisieren kann und möchte ich hier natürlich nichts!

Selbstliebe, Selbstakzeptanz und ein gesundes Selbstwertgefühl bedeutet NICHT, sich jeden Tag aufs Neue als geilste Person ever zu finden. Das würde eher in eine ungesunde Richtung gehen. Aber sich selbst zu respektieren und mit sich selbst wohlwollend umzugehen, ist doch ein Anfang, um einen Weg durch und aus einer Krise zu finden. Oder?

Selbstakzeptanz – Ich bin ich und ich bin in Ordnung

 

Sich selbst zu achten ist ebenso wichtig wie andere Menschen zu respektieren. Sich selbst zu respektieren, zu achten bedeutet, mit sich selbst eine Freundschaft einzugehen. Wie sehe ich meine Freund:innen? Nur das schlechte, nur ihre Fehler und das, was sie nicht können? – Nein! Ich sehe sie im Ganzen. Und so sollte auch mein Blick auf mich sein! – Und Dein Blick auf Dich! 

Der nachfolgende Text ist von der Familientherapeutin Virgina Satir. Er ist nochmal eine schöne Inspiration, wie der Blick auf uns selbst sein könnte:

Ich bin ich.

Auf der ganzen Welt gibt es niemanden, der genauso ist wie ich. Manche Menschen gleichen mir in einiger Hinsicht, doch niemand ist ganz genauso wie ich.

Deshalb ist alles, was ich hervorbringe, völlig authentisch mein Eigenes, denn ich habe allein entschieden, daß es so ist, wie es ist.

Alles an mir gehört mir: mein Körper und alles, was er tut; mein Geist und all seine Gedanken und Ideen; meine Augen und alle Bilder, die sie schauen; meine Gefühle, welche es auch sein mögen; Wut, Freude, Frustration, Liebe, Enttäuschung und Erregung; mein Mund und alle Worte, die er hervorbringt: höfliche, angenehme und harte, zutreffende und unzutreffende; und alles, was ich tue, ob es sich auf andere oder auf mich selbst bezieht.

Meine Phantasien, Träume, Hoffnungen und Ängste gehören mir. Meine Siege und Erfolge gehören mir ebenso wie meine Mißerfolge und Fehler.

Weil alles an mir mir gehört, kann ich mich mit allem völlig vertraut machen. Indem ich dies tue, bin ich liebevoll und freundlich allen meinen Anteilen gegenüber und kann so mit meinem ganzen Sein zu meinem eigenen Besten wirken. Mir ist klar, daß gewisse Aspekte meiner Existenz mich verwirren und daß ich andere gar nicht kenne.

Doch solange ich freundlich und liebevoll mit mir selbst umgehe, kann ich mutig und hoffnungsvoll nach Lösungen für die Rätsel meiner Existenz suchen und nach Möglichkeiten, die mir helfen, mehr über mich selbst herauszufinden.

Wie auch immer ich aussehe und klinge, was auch immer ich sage und tue und alles, was ich in einem bestimmten Augenblick denke und fühle, all dies bin ich.

Es ist authentisch und bringt zum Ausdruck, wo ich mich zum betreffenden Zeitpunkt befinde. Wenn ich später überdenke, wie ich ausgesehen und geklungen habe,was ich gesagt und getan habe und wie ich gedacht und gefühlt habe, so mag mir einiges vielleicht nachträglich als unpassend oder unangemessen erscheinen.

Ich kann das, was ich als ungeeignet erkannt habe, fallenlassen, das Bewährte beibehalten und etwas Neues erfinden, das an die Stelle des Aufgegebenen tritt.

Ich kann sehen, hören, fühlen, sprechen und handeln.

Ich bin in der Lage, zu überleben, anderen nahe zu sein, produktiv zu sein und die Welt der Menschen und Dinge um mich herum in einem sinnvollen und geordneten Zusammenhang zu erleben.

Ich gehöre mir und kann mich deshalb auch selbst steuern.

Ich bin ich und ich bin okay.
~ Virgina Satir

 

Selbsthilfe
Was ich gerne schon vor meinen Therapien gewusst hätte …

Hier bekommst Du nicht nur eine Ladung Wissen, sondern auch jede Menge praktische Tipps, die Du direkt im Alltag anwenden kannst. Die Selbsthilfemethoden sind aus den Bereichen Resilienz, Achtsamkeit, Selbstmitgefühl und Imagination. Mit diesen Übungen weckst Du Deine inneren Ressourcen und gehst gestärkt durch den Alltag. 🧘‍♂️

Mein Ziel ist es, dass Du nicht nur die fachlichen Grundlagen zur Selbstfürsorge und Selbsthilfe lernst, sondern auch herausfindest, wo Deine persönlichen Hindernisse liegen.

Der Online-Kurs hilft Dir zu verstehen, was Akzeptanz wirklich bedeutet und wie Du damit Deine Gefühle besser managen kannst. Und ab und zu gibt’s auch ein paar persönliche Einblicke von mir, um Dich noch besser zu unterstützen.

Und nun?

Hilfe zur Selbsthilfe


Hier findest Du Informationen zu meinem Buch „Depression – und jetzt? Wegweiser einer Erfahrungsexpertin“ sowie zu  Beratungs- und Workshopangeboten für Betroffene von Depression und Angststörungen und deren Angehörige.

Akut in der Krise? 


Du bist nicht allein, weder mit Deiner Erkrankung  noch bei deren Bewältigung. Also lass Dir gern helfen!  Hier findest Du eine Übersicht zu Krisenanlaufstellen.

Tipps zur
Therapieplatzsuche


Hier findest Du nützliche Hinweise und Infos zum  Kostenerstattungsverfahren.

Newsletter & Co.


Es gibt diverse Möglichkeiten, auf dem Laufenden zu bleiben, regelmäßig Input zu erhalten, über Lesungen und Workshops informiert zu werden, dabei meine Arbeit zu unterstützen oder mehr über meine eigenen kleinen Genesungsbegleitenden auf vier Pfoten zu erfahren.

Akut in der Krise? 


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Tipps zur
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Hilfe zur Selbsthilfe


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Mitgliedschaften & Kooperationen

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention ist seit 1972 die übergreifende Fachgesellschaft für Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention befassen.

Die Deutsche Depressionsliga ist eine bundesweit aktive Patient:innen-vertretung. Sie ist eine reine Betroffenenorganisation, deren Mitglieder entweder selbst erkrankt sind oder aber sie sind Angehörige von Betroffenen.

Die Gründer:innen von Freunde fürs Leben sowie viele der (ehrenamtlich) Beteiligten haben selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren. Ich selbst kenne Suizidgedanken von mir früher als auch Menschen, die dadurch verstorben sind.

Die Seminare von Seelische Erste Hilfe Leisten befähigen Menschen dazu, selbstbewusster, informierter und empathischer mit seelisch belasteten Personen umzugehen. Unser Ziel ist, dass analog zu körperlichen Erste-Hilfe-Kursen auch seelische Erste-Hilfe-Kurse fester Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung sind.

Gemeinsam gegen Depression ist eine Aufklärungskampagne von Janssen. Unterstützer:innen der Initiative und die Teilnehmenden des Aufrufs „Zeig Gesicht“ berichten über ihre ganz persönlichen Geschichten und teilen ihre Erfahrungen mit Depressionen.

Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung sind für Betroffene und Angehörige allgegenwärtig. Mutmachleute bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft, denn psychisch kranke Menschen haben keine Lobby! Wir geben ihnen eine Stimme, damit sie heraustreten können aus ihrem Schattendasein.

Erfahrungen & Bewertungen zu Nora Fieling

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