Projekt zur Entstigmatisierung: Holy Shit I am Sick

Nachfolgend liest Du einen Gastbeitrag von Karina Sturm, welche das Projekt „Holy Shit I am Sick“ ins Leben gerufen hat. Damit leistet sie einen Beitrag zur Aufklärung und Entstigmatisierung von physischen und psychischen Erkrankungen, zu welchem auch Du beitragen kannst:

Holy Shit I am Sick

Mein Name ist Karina, ich bin 29 Jahre alt und habe Nora kontaktiert, um sie auf ein Projekt aufmerksam zu machen, an dem ich im Moment arbeite. Doch bevor ich etwas darüber erzähle, möchte ich euch gerne an einem Teil meines Lebens teilhaben lassen und vielleicht sogar das Thema Psyche von einer anderen Seite beleuchten – nämlich von der einer Betroffenen einer seltenen genetischen Erkrankung.

Dieser Beitrag ist etwas ganz besonderes für mich, weil ich sehr selten offen über die psychischen Probleme, die eine körperliche Erkrankung mit sich bringt, spreche. Warum das so ist, werde ich Euch später noch genau erläutern.

Doch nun erst einmal zu meinem langen und steinigen Weg zur Diagnose.

Bis zu meinem 24. Lebensjahr war ich praktisch nie bei Ärzten. Ich hatte zwar immer wieder Schmerzen an unterschiedlichen Stellen und andere kleine Probleme, aber nichts was mich genug gestört hätte, um einen Arzt aufzusuchen. Doch dann änderte der erste Arztbesuch nach langer Zeit einfach alles und stellte mein ganzes Leben auf den Kopf.

Vor mittlerweile über 5 Jahren zeigte meine Erkrankung zum ersten Mal ihr hässliches Gesicht. Nach einer Infiltrationstherapie der Halswirbelsäule bekam ich heftige neurologische Symptome wie der Verlust über die Kontrolle meiner Beine, Atemnot, Taubheit meiner kompletten linken Körperhälfte, Sehstörungen und eine starke Benommenheit. Ich führte diese Beschwerden auf die Spritzen zurück, war es doch die einzige logische Erklärung dafür.

Doch die verschiedenen Fachrichtungen die ich daraufhin durchlief, waren anderer Meinung. Die Ärzte waren der Ansicht, so viele unspezifische Symptome könnten nur eine Ursache haben – die Psyche. Schnell schob man mich in die Psychosomatik-Schublade und aus dieser kam ich eine sehr lange Zeit nicht wieder heraus.

Da ich mir aber sicher war, dass die Ursache allen Übels die Halswirbelsäule war, machte ich mich selbst auf die Suche nach einer Diagnose. Nach viel Recherchearbeit und einigen Rückschlägen, stand nach ca. 6 Monaten die Diagnose fest: Ich litt an einer Halswirbelsäuleninstabilität auf mehreren Ebenen, die völlig zweifelsfrei für einen Großteil meiner Symptome zuständig war.

Über die nächsten Jahre versuchte ich mich wieder in mein Leben zurück zu kämpfen.

Ich probierte alle erdenklichen physiotherapeutischen Massnahmen und viele alternative Therapien aus. Doch meine Instabilität wollte sich nicht verbessern und ich musste langsam in Richtung Operation gehen. Eine letzte Chance wollte ich mir dennoch einräumen. Ich entschied mich zu einer alternativen Therapieform – der Proliferationstherapie – die meine letzte Chance sein sollte, um eine Operation herum zu kommen.

2013 brach ich zu meiner bisher größten Reise auf, ich flog nach Chicago zu einem der Experten für die Proliferationstherapie. Doch auch dieses Mal hatte das Schicksal etwas anderes für mich vorgesehen. Nach 10 schmerzhaften Therapien war meine Situation nach wie vor unverändert, die Symptome waren in ihrer Intensität teilweise noch schlimmer, die Halswirbelsäule genauso instabil wie bisher. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb ich über die Jahre hinweg trotz diszipliniertem Training immer mehr Instabilitäten an anderen Körperstellen, wie meinen Knien und Hüften entwickelt hatte. Sollte ich nicht eigentlich Muskulatur aufbauen anstatt noch instabiler zu werden?

Alles war ein großes Rätsel und auch mein Arzt wusste nicht mehr weiter.

Wieder aus eigenen Stückchen entschloss ich mich dazu, in den USA noch einen Neurochirurgen um eine Meinung zu bitten. Wenn ich in Deutschland mit meiner mysteriösen Erkrankung schon nicht weiter kam, dann konnte ich es doch in den USA versuchen.

Diesmal ereignete sich wohl das größte Glück überhaupt, denn ich landete, ohne es zu wissen, bei einem weltweiten Spezialisten für das Ehlers-Danlos Syndrom (EDS), einer genetisch bedingten Bindegewebserkrankung, mit der ich nach 3 Stunden Untersuchung dann auch diagnostiziert wurde.

Diese Erkrankung war der Schlüssel, der all meine Symptome von Kindheit an bis nun vereinte.

Ich hatte endlich gefunden was ich jahrelang wusste, ich litt an einer seltenen Bindegewebserkrankung über die leider kaum ein Arzt etwas wusste.

Dieser Tag änderte mein Leben drastisch, denn endlich war ich wieder ich selbst.

Vom Zeitpunkt meiner Diagnose an hinterfragte kein Arzt jemals mehr meine früher als unsinnig betitelten Symptome. Nun war auf einmal alles klar. Im Februar 2014 bekam ich die Diagnose Ehlers-Danlos Syndrom vom hypermobilen Typ und seitdem bin ich noch mit einigen anderen Erkrankungen bestückt worden, die alle mit dem EDS in Zusammenhang stehen.

Die Diagnose hat mir die Kraft gegeben, für mich und andere Betroffene aufzustehen und zu kämpfen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Menschen über mein Krankheitsbild aufzuklären, in dem ich Artikel über mein Leben in deutschen und auch englischen Blogs verfasst, medizinische Artikel über mein Krankheitsbild veröffentlicht und seit kurzem auch mein erstes Buch herausgebracht habe.

Ich investiere die wenige Energie die ich habe, in Aufmerksamkeitsarbeit für meine Krankheitsbilder. Durch all die Jahre in denen ich falsch diagnostiziert wurde und in denen mir eine psychosomatische Erkrankung unterstellt wurde, habe ich nahezu eine Art Angst vor psychischen Erkrankungen entwickelt und mich weit fern gehalten von Neurologen oder Psychologen. Ich war besorgt, man würde mir erneut meine mittlerweile sehr klar diagnostizierten körperlichen Ursachen wegnehmen und mich erneut über Jahre hinweg falsch behandeln und mir dadurch erheblich schaden.

Denn genau dies war das Problem, dem ich ständig gegenüberstand.

Sobald die körperlichen Beschwerden als psychosomatisch eingestuft wurden, wollte kein Arzt sich mehr die Mühe machen, weitere mögliche körperliche Ursachen auch nur in Betracht zu ziehen. Diese Ereignisse sind für viele Menschen mit ähnlichen Krankheitsbildern wie dem Meinen, sehr traumatisierend und es entwickelt sich eine Abneigung gegen das ganze Thema Psyche, das uns langfristig auch nicht weiter hilft.

Viele Betroffene aus den Krankheitskreisen in denen ich mich bewege, haben wie ich über teilweise Jahrzehnte hinweg falsche Diagnosen erhalten und mit jeder falschen Diagnose wurde der Leidensweg ein paar Jahre länger, ganz abgesehen von den dadurch entstandenen falschen Therapieoptionen, die unser Krankheitsbild nur weiter verschlechterten.

Diese Falschdiagnosen waren ganz häufig psychischer Natur, was in meinem Fall dazu führte, dass ich mich entmündigt und massiv respektlos behandelt fühlte, denn mir wurde jegliches eigenes Empfinden über meinen Körper in diesem Moment aberkannt und die Symptome, die teilweise lebensbedrohlich waren, wurden klein geredet in dem darauf beharrt wurde, sie wären „nur“ in meinem Kopf und damit könnte mir nichts passieren.

Es hat sehr lange gedauert bis ich verstanden habe, dass man Körper und Psyche nicht trennen kann und dass jede Art von körperlicher Krankheit auch in irgendeiner Form Stress für die Psyche bedeutet. Nun sind nicht alle Menschen mit körperlichen Erkrankungen auch psychisch krank, dennoch glaube ich, bekommen wir einen guten Einblick in unsere eigene Psyche und was sie leisten kann. Ich bin der Meinung, dass körperliche und psychische Erkrankungen im gleichen Masse einschränkend sind und sich unsere Alltagsprobleme nicht groß unterscheiden.

Ich habe allergrößten Respekt vor allen Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung und möchte mein Bestes tun, diese besser zu verstehen und die Skepsis und Angst die jahrelang von Ärzten verursacht wurde, weiter abzubauen.

Aus dem Gedanken heraus, dass wir alle mehr haben, das uns vereint als das, was uns trennt, ist nun mein neuestes Projekt entstanden.

Meine neue Website holy-shit-i-am-sick.de soll allen Menschen mit chronischen Erkrankungen eine Plattform geben, ihre Geschichte zu erzählen.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, 1000 verschiedene Geschichten zu veröffentlichen und hoffe, ihr könnt mir dabei helfen.

Um mein Projekt weiter zu entwickeln ist es sehr wichtig, dass ich auch die Seite der chronischen psychischen Erkrankungen zeigen kann und dafür möchte ich euch um eure Mithilfe bitten.

Ich denke diese Barriere, die zwischen uns aufgebaut wurde, ist überflüssig und die lässt sich nur abbauen, in dem man offen darüber spricht. Wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, ich weiß nicht viel über psychische Erkrankungen und deren Auswirkungen und ich denke, wir können zwar alle unser Bestes tun um unser Gegenüber mit einer ganz anderen Erkrankung zu verstehen, wir können empathisch sein und zuhören, doch können wir nie wirklich wissen wie es dem anderen geht, ohne selbst in deren Schuhen zu laufen.

Ich werde also nicht versuchen zu sagen, ich würde euch verstehen, sondern viel mehr würde ich sagen, ich möchte zuhören und lernen.

Und das ist es, was mein neues Projekt bieten will – die Möglichkeit zu lernen und offen zu sein für Gefühle und Erkrankungen die man nicht kennt.

Ich möchte damit alle Menschen mit chronischen Krankheiten vereinen, aber auch den Angehörigen, Freunden oder Partnern von chronisch Kranken einen Einblick in unsere Welt geben.

Ich hoffe, diese Seite trägt zu einem besseren Verständnis zwischen uns allen bei. Alles was ich tue, versuche ich möglichst professionell und seriös zu betreiben weshalb meine Website von einem Fachanwalt überprüft wurde.

Falls jemand mir seine Geschichte zukommen lassen möchte, würde ich darum bitten, dieses Formular zu nutzen: Kontaktformular

Mit Fragen zum Projekt könnt ihr euch gerne jederzeit an mich wenden. Die dazugehörige Facebookseite, auf der ich die aktuellen Beiträge veröffentliche findet ihr hier: facebook.com/1000GeschichtenchronischkrankerMenschen/

Mehr Informationen zum Ehlers-Danlos Syndrom auf meiner privaten Website: instabile-halswirbelsaeule.de/ehlers-danlos-syndrom/

Falls ihr meine komplette Geschichte lesen möchtet, diese habe ich in einem Buch veröffentlicht: Wenn der Kopf zur Last wird

Meine Projekte und Artikel teilweise in deutscher und teilweiser englischer Sprache findet ihr hier: Meine Awareness Projekte

Ich würde mich freuen von Euch zu hören.

Liebe Grüße,

Karina Sturm

Bildquelle: Karina Sturm

Und nun?

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Die Gründer:innen von Freunde fürs Leben sowie viele der (ehrenamtlich) Beteiligten haben selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren. Ich selbst kenne Suizidgedanken von mir früher als auch Menschen, die dadurch verstorben sind.

Die Seminare von Seelische Erste Hilfe Leisten befähigen Menschen dazu, selbstbewusster, informierter und empathischer mit seelisch belasteten Personen umzugehen. Unser Ziel ist, dass analog zu körperlichen Erste-Hilfe-Kursen auch seelische Erste-Hilfe-Kurse fester Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung sind.

Gemeinsam gegen Depression ist eine Aufklärungskampagne von Janssen. Unterstützer:innen der Initiative und die Teilnehmenden des Aufrufs „Zeig Gesicht“ berichten über ihre ganz persönlichen Geschichten und teilen ihre Erfahrungen mit Depressionen.

Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung sind für Betroffene und Angehörige allgegenwärtig. Mutmachleute bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft, denn psychisch kranke Menschen haben keine Lobby! Wir geben ihnen eine Stimme, damit sie heraustreten können aus ihrem Schattendasein.

Erfahrungen & Bewertungen zu Nora Fieling

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