Neulich erzählte ich in meiner Story auf Instagram, dass ich zwischen den Jahren mit meinem Partner die Küche malerte, einen anderen Tag ein ganzes Buch las und ein paar Tage zusammen mit meiner Schwiegerfamilie war. So denn erreichten mich die ersten Fragen, wie ich das denn alles schaffe – das Tun als auch das längere Zusammensein mit mehreren Menschen. Eine Person brachte in ihrer Nachricht an mich einen wichtigen Punkt an. Sie schrieb: „Ich schaffe gefühlt alles nur noch mit größter Anstrengung und brauche Pausen und bin dann trotzdem immer sehr erschöpft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es nur an der Depression liegt oder auch im Zusammenspiel mit meiner zusätzlichen körperlichen Erkrankung.“
Vergleiche – was sind die gemeinsamen und was die unterschiedlichen Parameter?
Wenn wir schon Dinge oder uns Menschen vergleichen, dann ist es wichtig, die unterschiedlichen Parameter zu betrachten: Denn ich bin aktuell weder körperlich erkrankt noch in einer depressiven Krise! Und selbst wenn, dann wären wir doch immer noch alle total individuell. Und hier tun sich mir so einige Fragen auf: Was soll geschafft werden? Warum? Für wen? Ist es ein eigener Anspruch oder der der Gesellschaft? Was heißt „schaffen“? Und wer entscheidet, ob das Geschaffte nun gut und ausreichend war oder eben nicht?
Öfter erhalte ich Nachrichten wie die obrige bzw. lese in den Kommentaren auf meinem Instagram- oder Facebook-Account, wie beeindruckend das ist, was ich doch alles geschafft habe oder eben im Alltag schaffe. Das ist erstmal nett und ja, zum Teil kann ich es auch annehmen – #Danke 😊
Wenn es dann weitergeht, was der/die Schreiber:in alles nicht schafft, fühlt sich das komisch an. Denn 1. bin ich bin mir sicher, dass jede:r von uns ganz viel schafft, 2. ist es völlig in Ordnung, mal nichts zu schaffen – wobei hier auch die Frage ist, was man immer schaffen muss und was das für jede:n von uns bedeutet – und 3. schaffe auch ich keineswegs alles, was ich mir vornehme.
Auch ich schaffe nicht alles! Und das ist okay!
Okay, letzteren Satz flüstere ich mir oft zu, während mein innerer Kritiker mir sagt, dass ich das doch auch mal endlich hinbekommen muss. Du siehst, auch ich hab noch so meine Baustellen.
Mir fällt manches mal mehr mal weniger schwer – früh morgens aufstehen und in den „Tritt“ zu kommen beispielsweise. Ich schlafe seit Wochen eher schlecht, bin in der Nacht mehrmals wach, habe Albträume. Dadurch, dass ich selbstständig bin, ist das in Ordnung – ich kann mir meine Zeit frei einteilen und wenn ich nachts um 3 Uhr einen Arbeitsflow habe, dann ist das völlig in Ordnung. Ich wüsste nicht, ob ich einen 9-to-5-Job aktuell packen würde. Ganz egal, ob wir nun von einer 20- oder einer 40-Stunden-Woche ausgehen.
Ich könnte Dir noch viele weitere Beispiele nennen, was ich nicht (gut) kann.
Wir alle sind „nur“ Menschen.
Die Frage ist, wie menschlich sind wir zu uns selbst?
Es ist immer nur ein Ausschnitt, den Du online von jemandem erhältst!
Ein wesentlicher Punkt, vor allem in der Welt von Social-Media – Du siehst immer nur einen Ausschnitt von dem, was ich und die anderen Menschen zeigen. Selbst wenn ich mich mal 24/7 filmen und dies posten würde (Sorry, aber #Gottbewahre 😅), wäre es zugleich nur ein Ausschnitt dessen, was wirklich in mir abgeht.
Mein Ziel ist es NICHT, Germanys next Top-Depressive zu werden, die ALLES aus ihrem Leben zeigt. Ich bin nicht so der Typ, der erstmal die Kamera anmacht, bevor/während sie weint, der Wut freien Lauf lässt oder gähnt, um meine Schlafstörung zu präsentieren. Das bin ich einfach nicht.
Es gibt so vieles – manches zeige ich online, manches nicht. Es ist immer ein Ausschnitt, den Du erkennen kannst. Denn manchmal …
- Manchmal weine ich stundenlang, ohne auch nur eine Träne zu vergießen.
- Manchmal esse ich mehr als ich Hunger habe, weil ich die Leere in mir füllen möchte.
- Manchmal liege ich auf dem Boden, um zu spüren, dass auch ich nicht grundlos bin.
- Manchmal sage ich Sätze zu meinen Haustieren, obwohl sie eher für mein inneres Kind bestimmt sind, ich jedoch oft die Auseinandersetzung mit diesem meide.
- Manchmal höre ich laute Musik, weil ich die Stille in mir nicht ertrage.
- Manchmal schaffe ich alltägliche Dinge nicht, weil ich vom Alltäglichen geschafft bin.
- Manchmal verfalle ich in meinen Kontrolltick, weil es mich überfordert, meine Gefühle und inneren Konflikte nicht unter Kontrolle zu haben.
- Manchmal konfrontiere ich mich mit den Problemen anderer, um die Auseinandersetzung mit mir selbst zu vermeiden.
Manchmal IMMER bin auch ich schlichtweg nur ein Mensch, mit Fehlern, Einschränkungen & Schwächen.
Vergleiche Dich mit Dir selbst!
Natürlich kann es hilfreich und motivierend sein, Vorbilder zu haben, an denen man sich orientiert, die einem Kraft geben oder motivieren. Doch sich mit diesen vergleichen im Sinne dessen, was die alles schaffen und man selbst nicht, führt oftmals eher zu einer Verschlimmerung der eigenen Situation.
Auch hier nochmal die Frage, was dieses „Alles“ ist, was alle anderen (wirklich alle anderen?) immer (wirklich immer?) alles (?) schaffen.
Ich selbst habe solche absolutistischen Wörter weitestgehend aus meinem Wortschatz gestrichen – es gibt so gut wie nie ein „immer“ oder ein „alles“ …
Zurück zur Frage, warum wir was „immer“ schaffen müssen … Guck mal, Du hast Dir vermutlich heute schon die Zähne geputzt, was gegessen/getrunken, wahrscheinlich auch die Schlafklamotten in Wachklamotten gewechselt.
Aufstehen, Zähne putzen, den Tag überstehen – in akuten depressiven Phasen ist das für viele Menschen schon unglaublich viel!
„Aber die anderen …“ – Stopp! Es ist egal, was „die anderen“ denken! Es geht darum, was Du darüber denkst! Du findest es zu wenig? Gut, dann schau, wie Du es ändern kannst. Doch lass uns aufhören, uns dafür runterzumachen – weil dadurch geht es uns nur schlechter!
„Ja, aber …“ – Ja, ich weiß. Mich nervt es selber auch oft. Doch kann es nicht auch einfach mal „okay“ sein, so rumzuhängen?
Wenn Du wirklich was verändern und ein paar Ziele umsetzen möchtest, dann schau lieber, was realistisch zu Dir (!) und Deinem (!) Tempo passt. Tipps zum Thema „Ziele erreichen“ gebe ich nächsten Donnerstag HIER „3 Tipps, mit denen Du Deine Ziele erreichst“ – lass uns bis dahin doch etwas Druck rausnehmen, aus dem, was wir alles „müssen“ und dafür wertschätzen, was wir bisher schon „geschafft“ und erreicht haben.
Jede vermeintlich kleinste Kleinigkeit zählt – denn nur Du vermagst es zu bewerten, wieviel das tatsächlich für Dich war bzw. ist! Es liegt an Dir, im Kern dem Erreichten seinen Wert zu geben.