Urlaub mit einer psychischen Erkrankung

Urlaub

Nach ca. sieben Jahren waren mein Partner und ich mal wieder im Urlaub. 10 Tage Italien – viele denken vermutlich, was das für ein Traum ist und vor allem für eine pure Entspannung sei. Urlaub verbinden wir allgemein gesehen mit Erholung, interessanten Abenteuern und einem Abschalten vom oft stressigen Alltag. Besonders das Abschalten ist jedoch eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Unmöglichkeit, wenn man seine Erkrankung im Gepäck dabei hat.

Wie krank bin ich eigentlich?

Während ich mir den Anfang für diesen Beitrag überlegte, fragte ich mich, wie krank ich mich eigentlich finde. Seit ca. 2017 ruhen die Panikattacken und bis auf eine intensive, aber kurze depressive Episode im Herbst 2021 geht es mir auch in der Hinsicht ziemlich gut. Auf verschiedenen Ebenen bin ich genesen. Zugleich befinde ich mich in einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und bearbeite traumatische Erfahrungen und meine Angststörung.

Vor allem die Angststörung war für mich jahrelang mit Panikattacken verknüpft – mittlerweile kann ich mich jedoch wieder frei in öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen, gehe gerne mal in ein Restaurant oder Theater und vor allem meine Arbeit mit Menschen in Form von Workshops, Beratungen und Vorträgen mache ich total gerne. Da kommt eine angemessene Nervosität mal vor, aber keine Angst.

Und doch habe ich eine aktive Angststörung, die mir vor allem die Wochen und Monate vorm Urlaub der Vorfreude einem bitteren Beigeschmack verlieh. Meine Verlustangst führt zu einem Kontrolltick, der es mir erschwert, die Wohnung zu verlassen. Ich tue es dennoch, sogar häufig, aber es dauert mal mehr und mal weniger lang – immer wieder kontrolliere ich die Fenster, den Herd (obwohl der seit drei Tagen nicht genutzt wurde) und sämtliche Türen.

Und so war vor allem das finale Verlassen der Wohnung, für ganze 10 Tage eine ziemlich große Exposition meiner Ängste für mich. Die Wohnung allein ist nicht das Problem, mehr sind/waren es unsere Haustiere, die ich dann alleine lassen muss und für die ich die Kontrolle an jemand anderen abgab.

Selbsthilfe bei Kontrollzwang (bzw. Kontrolltick)

„Urlaub als Thema in der Therapie fühlt sich wie ein Luxusproblem an.“, sagte ich vor kurzem noch zu meiner Therapeutin und nahm zugleich wahr, wie sehr ich mich und mein Problem selbst abwertete. Während wir oft über den Whataboutism anderer schimpfen, verfallen wir oft selbst in so ein Verhalten …

Doch meine Therapeutin nahm mich ernst, genauso wie mein Partner und schlussendlich (mit ein paar Extra-Runden zwischendurch) ich mich auch selbst. Ich habe nun mal dieses Problem, also liegt es in meiner Verantwortung, wie ich damit umgehe – mich dafür nicht runterzumachen und anstelle selbstfreundlich zu behandeln, wäre schon mal ein Anfang.

Das wir über die Herausforderung in der Therapie sprachen ist das eine, das andere war mein Handeln. Mein Partner unterstützte mich super – er hörte mir zu, nahm mich ernst und ging am Tag des Urlaubes den Kontrollgang in der Wohnung mit mir. Vorab hatte ich auf ein A4-Blatt geschrieben, was ich alles kontrollieren wollte. Nach Räumen aufgeteilt standen dann also sämtliche Fenster, Türen und elektrischen Geräte auf der Liste. Alles kontrollierte erhielt ein Häkchen und Marcel schaute auch nochmal drüber. Das unterstützte mich in meinem Sicherheitsgefühl. Die abgehakte Liste kam mit auf Reisen und wann immer ich unsicher war, konnte ich drauf gucken.

Parallel dazu sprach ich in Gedanken mit meinem Inneren Kind. In den letzten drei Jahren Therapie haben wir eine Bindung gefunden, ich habe für uns einen sicheren Ort, einen Wohlfühlort und drei Innere Helfer. Ich weiß (inzwischen), was die kleine Nora (nicht) mag und was sie beruhigt. Und nein, das klappt nicht immer alles von jetzt auf gleich – auch hier bin ich noch Azubi meines Lebens. Aber wir haben inzwischen eine Beziehung, auf die ich einwirken kann und so kann ich (mittlerweile) emotional aufwühlende Situationen eher händeln, als noch vor ein paar Jahren.

„Du hast ja so ein Glück, ich wünschte, ich könnte das auch …“


Dies schrieb mir nach meinem Post über den Urlaub neulich jemand auf Instagram – und ich tue mich mit der Aussage ziemlich schwer. Denn ich möchte dies nicht als „Glück“ bezeichnen. Das ist mir viel zu passiv und wirkt auf mich so, als sei mir all das zugeflogen. Dem ist aber nicht so.

Ich bin seit meinem 19. Lebensjahr in Therapie, wenn auch mit Pausen zwischendurch. Mehrmals war ich in der Tagesklinik, einmal in der Psychiatrie und zur medizinischen Reha, noch nehme ich ein angstlösendes Antidepressivum als auch ein Schlafmittel. Nahezu täglich stelle ich mich meinen gedanklichen und emotionalen Herausforderungen und wende das an, was ich in meinen Beratungen an andere weiter gebe: verschiedene Selbsthilfe-Methoden.

Das ist Arbeit und auch ziemlich anstrengend. Es hat nichts mit „Glück“ zu tun.

Bei manchen mentalhealth-Blogger:innen lese ich oft, dass „alle“ auch „alles“ erreichen können, wenn sie wollen. So eine Aussage finde ich ebenso Quatsch, wenn nicht sogar ziemlich gefährlich.

Jede:r von uns hat gewisse Privilegien, die andere nicht haben. Wir haben alle unterschiedliche Voraussetzungen und selbst wenn es dieselben wären, so sind absolutistische Wörter wie „immer, nie, alle/s“ selten hilfreich.

Ich kann und werde Dir nicht versprechen, dass Du das ebenso erreichen kannst. Diese Glaskugel habe ich (leider) nicht und vielleicht möchtest Du das auch gar nicht „ebenso“ erreichen. Du bist Du und gehst Deinen Weg. 

Wenn Du von meinen Erfahrungen profitieren und sämtliche Selbsthilfe-Tools kennenlernen möchtest, die auch ich noch sehr oft nutze, dann guck Dir doch mal mein ANKER-Training an. ANKER steht für „Achtsam und nachhaltig durch Krisen mittels Emotionsregulation und Resilienz“ und ist ein 10-wöchiges Selbsthilfe-Training via Zoom. Aktuell findet der erste Durchlauf statt und wenn Du Interesse hast und zum nächsten kostenfreien Info-Abend eingeladen werden möchtest,  dann trag Dich kostenfrei und unverbindlich in die Warteliste dafür ein: Klicke hier und trage Dich kostenfrei und unverbindlich in die Warteliste fürs ANKER-Training ein

Welche konkreten Selbsthilfe-Strategien mir im Urlaub halfen

Zunächst habe ich all meine Ängste und Befürchtungen mit meiner Therapeutin als auch mit meinem Partner im Vorfeld gesprochen. Anschließend habe ich meinen Koffer nicht nur mit Klamotten, sondern auch mit Selbsthilfe-Tools gepackt:

  • Rescue-Tropfen aus der Apotheke, welches bei Flugangst und allg. Anspannung/Angst unterstützt
  • Kuscheltier fürs Innere Kind
  • Beruhigungs- und Entspannungsmeditationen aufs Handy geladen (um sie auch offline hören zu können)
  • ein Notizbuch und Stifte, um Gedanken zwischendurch rauszulassen
  • via Imaginationsübungen im Kontakt mit meinem Inneren Kind als auch meinen Inneren Helfern zu sein
  • Akzeptanzübung, als es zwischendurch schwierige Gefühle gab (ich hatte zwischendurch ziemlich großes Heimweh wg. unserer Haustiere)
  • div. Achtsamkeitsübungen (hilfreich bei Stress, schwierigen Gefühlen und als ich emotionale/gedankliche Flashbacks erlebte)

Es war ein total toller Urlaub, zugleich finde ich es schön, wieder zu Hause in der gewohnten Umgebung als auch bei unseren Haustieren zu sein. So schnell muss-möchte ich nicht wegfahren, auch wenn ich nichts dagegen hätte, wenn Berlin direkt am Meer liegen und 2,5 Mio. Einwohner:innen weniger hätte …

In meinem Leben gibt es eine Überwindung und Expositionserfahrung mehr. Ich bin überzeugt, es werden noch mehrere kommen. Vor allem möchte ich die Hoffnung aufrecht erhalten, weiterhin Fortschritte auf meinem Genesungsweg zu machen.

Genau diese Hoffnung wünsche ich auch Dir. Was hilft Dir denn im Urlaub an Selbsthilfe-Strategien?

Und nun?

Hilfe zur Selbsthilfe


Hier findest Du Informationen zu meinem Buch „Depression – und jetzt? Wegweiser einer Erfahrungsexpertin“ sowie zu  Beratungs- und Workshopangeboten für Betroffene von Depression und Angststörungen und deren Angehörige.

Akut in der Krise? 


Du bist nicht allein, weder mit Deiner Erkrankung  noch bei deren Bewältigung. Also lass Dir gern helfen!  Hier findest Du eine Übersicht zu Krisenanlaufstellen.

Tipps zur
Therapieplatzsuche


Hier findest Du nützliche Hinweise und Infos zum  Kostenerstattungsverfahren.

Newsletter & Co.


Es gibt diverse Möglichkeiten, auf dem Laufenden zu bleiben, regelmäßig Input zu erhalten, über Lesungen und Workshops informiert zu werden, dabei meine Arbeit zu unterstützen oder mehr über meine eigenen kleinen Genesungsbegleitenden auf vier Pfoten zu erfahren.

Akut in der Krise? 


Du bist nicht allein, weder mit Deiner Erkrankung  noch bei deren Bewältigung. Also lass Dir gern helfen!  Hier findest Du eine aktuelle Übersicht zu Krisenanlaufstellen.

Tipps zur
Therapieplatzsuche


Hier findest Du nützliche Hinweise und Infos zum  Kostenerstattungsverfahren.

Hilfe zur Selbsthilfe


Hier findest Du Informationen zu meinem Buch „Depression – und jetzt? Wegweiser einer Erfahrungsexpertin“ sowie zu  Beratungs- und Workshopangeboten für Betroffene von Depression und Angststörungen und deren Angehörige.

Newsletter & Co.


Es gibt diverse Möglichkeiten, auf dem Laufenden zu bleiben, regelmäßig Input zu erhalten, über Lesungen und Workshops informiert zu werden, dabei meine Arbeit zu unterstützen oder mehr über meine eigenen kleinen Genesungsbegleitenden auf vier Pfoten zu erfahren.

Mitgliedschaften & Kooperationen

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention ist seit 1972 die übergreifende Fachgesellschaft für Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention befassen.

Die Deutsche Depressionsliga ist eine bundesweit aktive Patient:innen-vertretung. Sie ist eine reine Betroffenenorganisation, deren Mitglieder entweder selbst erkrankt sind oder aber sie sind Angehörige von Betroffenen.

Die Gründer:innen von Freunde fürs Leben sowie viele der (ehrenamtlich) Beteiligten haben selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren. Ich selbst kenne Suizidgedanken von mir früher als auch Menschen, die dadurch verstorben sind.

Die Seminare von Seelische Erste Hilfe Leisten befähigen Menschen dazu, selbstbewusster, informierter und empathischer mit seelisch belasteten Personen umzugehen. Unser Ziel ist, dass analog zu körperlichen Erste-Hilfe-Kursen auch seelische Erste-Hilfe-Kurse fester Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung sind.

Gemeinsam gegen Depression ist eine Aufklärungskampagne von Janssen. Unterstützer:innen der Initiative und die Teilnehmenden des Aufrufs „Zeig Gesicht“ berichten über ihre ganz persönlichen Geschichten und teilen ihre Erfahrungen mit Depressionen.

Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung sind für Betroffene und Angehörige allgegenwärtig. Mutmachleute bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft, denn psychisch kranke Menschen haben keine Lobby! Wir geben ihnen eine Stimme, damit sie heraustreten können aus ihrem Schattendasein.

Erfahrungen & Bewertungen zu Nora Fieling

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen